Vor der Wahrheit kommt die Lüge. Oder danach. Angeblich lügen wir verdammt oft. Mal ehrlich, wie oft habt ihr heute schon gelogen? Gar nicht? Kein einziges Mal? Nicht mal eine kleine Notlüge?
Gern und oft wird behauptet, dass wir rund 200 Mal am Tag lügen.
Einen Beweis dafür gibt es jedoch nicht, vermutlich ist diese Aussage ebenfalls eine Lüge, denn sonst würden Frauen per se öfter lügen als Männer, es sei denn, es zählt nur die Gedankenlüge.
Es gibt die unterschiedlichsten Gründe für eine Lüge, sogar den ein oder anderen ehrenwerten, gut gemeinten, fast liebevollen Grund, denn wir lügen oft aus Rücksicht vor den Gefühlen unserer Mitmenschen. Wir belügen sie bei ihrer Frage nach der neuen Hose, Frisur, Freunden, wir belügen sie bei der Antwort auf ihr “Kannst Du am Wochenende beim Umzug helfen?” und wir belügen sie, weil wir ansonsten eine Beziehung aufs Spiel setzen würden. Heißt das nun im Umkehrschluss, dass wir lieber eine Lüge in Kauf nehmen, als die pure Wahrheit ins Gesicht gesagt zu bekommen? Kalkulieren wir die Lügen bereits in unsere zwischenmenschliche Kommunikation und schließen vom eigenen Verhalten auf der des Gegenübers?
Forscher wollen herausgefunden haben, dass wir zu rund 25% aus prosozialen Gründen lügen, also im Interesse des Gesprächspartners, weil wir ihm dadurch Sorge und Leid ersparen wollen – was mich zu meiner Frage von oben zurück führt: Wollen wir das im Gegenzug auch?
Claudia Mayer, Herausgeberin des Buches “Lob der Lüge” (recht interessant!) sagt: “„An einem lügenlosen Tag würden wir viele Mitmenschen vor den Kopf stoßen oder sehr unglücklich machen – und würden selbst einsam, arbeitslos und pleite.“
Ich denke, sie hat Recht, denn ich habe heute versucht, nicht zu lügen. Das ist anstrengend, denn man muss jede Antwort/Aussage vorher durchdenken, überdenken … und ja, man stößt mit der Wahrheit, auch wenn sie meist dazu dienen soll, das Gegenüber vor Spott, Pleiten und Peinlichkeiten zu bewahren, die Menschen vor den Kopf.
Ich bin der Meinung, dass das Lügen menschlich ist, dass wir bereits mit einem Lügen-Zentrum auf die Welt kommen, auch wenn die Fähigkeit auch in der Tierwelt zu finden ist (Affen lösen einen falschen Alarm aus, um leichter an ihr Essen zu kommen), sind wir Menschen die wahren Lügenbarone.
In der Beziehung, Freundschaft, bei der Jobsuche (Bewerbung) und auch unter dem Weihnachtsbaum. Ich spreche nicht von den notorischen Lügnern, die wirklich krank sind, ich spreche von den bis zu 200 täglichen Lügen, die uns, ohne dass sie uns im Hals stecken bleiben, leicht über die Lippen kommen. Spontan, ohne böse Absicht. Macht sie das … besser?
Es gibt Lügen und es gibt Lügen: “Die Erde ist eine Scheibe” ist keine Lüge, sondern schlichtweg falsch. Eine gute Lüge sollte nämlich nicht als solche enttarnt werden können. Lügen wir also erfolgreich, ist es an sich keine Lüge, sondern in den Augen des Adressaten die Wahrheit.
In jedem Fall hat die Lüge ihren Preis: Selbst den nicht ertappten Lügner plagt meist das schlechte Gewissen, den ertappten treffen schwere Vorwürfe. Auch wenn man es mit der Lüge nur gut gemeint hat, man sollte im Nachhinein besser die Klappe halten, denn am Ende des Tages gibt es immer 2 Verlierer.
Mein Experiment scheiterte bereits gegen 11 Uhr, als ich mich wieder dabei ertappte, dass ich log. Auf 200 wäre ich wohl nicht gekommen, aber bis 11 Uhr hatte ich bereits 12.
Zum Glück habe ich kein wesentliches Gesichtsmerkmal von von Pinocchio geerbt 🤥
